touching story


(c) Johannes Puch
        pedestal, silicone, Raspberry Pi, loudspeaker, neon light letters 

Ein klassischer weißer Sockel dessen oberste Sichtfläche in eine ebenfalls weiße Silikonschicht übergeht. Sobald man seine Hand auflegt, spürt man einen Herzschlag. Eine dünne Silikonfläche, ein weißer Podest, ein Lautsprecher: Minimale Aktionen versuchen zu wirken.

Es soll wohl eine Diskrepanz sein, die hier besonders zwischen dem visuellen Bild des Kunstwerkes und dem haptischen Empfinden liegt. Denn gerade, weil der Podest eher geradlinig und nüchtern ist, wird man irritiert durch den unerwartet hör- und vor allem fühlbaren Herzschlag, der das zuerst wahrgenommene Erscheinungsbild konterkariert.

Der Sockel ist gekennzeichnet durch klare Kanten und Flächen, sowie einer einheitlichen Farbe. Seine Struktur ist klar erkennbar und schneidet sich beinahe in den Raum. Währenddessen ist das „Herz“ nicht sichtbar, ohne klare Konturen, einzig und allein der Rhythmus bleibt fühl- und hörbar. Zusätzlich habe ich anstelle eines „Gegenüber“ nur eine neutrale, zweidimensionale weiße Fläche. Das ist nicht zufällig, ich gehe von einer Fläche aus, weil die menschliche Kommunikation scheinbar auch über Flächen erfolgt. Hochgerner hat da eine interessante Formulierung:

„[Wir kommunizieren vor Allem und] zuallererst zweidimensional, grafisch und flach . Wir scheinen in und auf Bildern zu leben, über und auf Flächen zu kommunizieren. Der Screen fungiert als Bildfläche, Austragungsort, Interaktionsraum und Feld für Handlungen und Gesten, …“ (Hochgerner, 2018)

Doch die Fläche ist in meinem Fall eben auch Akteur: Durch das Reagieren auf Berührung hat sie einen unerwarteten Handlungsspielraum. Es kann so etwas wie Interaktion und Kommunikation entstehen. Gemeinsam mit dem Moment der Überraschung provoziert sie Gefühle.
_edge_ thematisiert in diesem Sinne auch Grenzüberschreitungen der Intimsphäre. Intimsphäre in dem Sinn, in dem innerste bzw. persönlichste Gedanken und Gefühle durch Berührungen beeinflusst und herausgefordert werden können. Es ist ein sich andauern an der Grenze zu bewegen, ein sich und seine Gegenüber andauernd in Frage und Kontext zu stellen. Die getakteten Erschütterungen lösen Emotionen aus, ohne selbst emotional zu sein. Das regt zur Selbstreflexion an, über die Divergenz vieler Aggressions-Wahrnehmungen zwischen Opfer und Täter. So wird durch die unerwartete Lebendigkeit der Erwartungshorizont deutlich überschritten – die erwartete Berührung fällt anders aus als gedacht.

„Genau wie jeder Gegenstand Farbe hat, wird jedes Erlebnis und jede Vorstellung von Gefühlen begleitet. Selbst gefühllos ist ein Gefühl, so wie farblos eine Farbe, geschmacklos einen Geschmack bezeichnet. Gefühle lassen sich nicht auf Gedanken reduzieren, da sie etwas Gedanken Anhaftendes sind, so wie Farben, Töne, Gerüche, Geschmäcker, Temperatur, Härte, Rauhigkeit Gegenständen anhaften und sich nicht auf Gegenstände reduzieren lassen.“ (Rost, 1999)

So auch hier: Man greift ein „Ding“ an, dass unerwarteterweise einen Herzschlag hat – Es wird somit lebendig. Eigentlich sollte man es nicht angreifen können, es wirkt schutzlos. Man berührt das Innerste eines Menschen. Oder zumindest fühlt es sich so an, denn Realität ist in Wahrheit gefühlte Realität: „Die emotionale Welt besteht aus der Umgebung, die ich tatsächlich wahrnehme oder in der ich mich zu befinden glaube.“ (Ben-Ze'ev, 2013) Somit ist es für die subjektive Erfahrung egal, dass es sich hier in Wahrheit ja um nichts anderes handelt, als um einen Computer, der gelieferte Informationen in Schallwellen und Schwingungen umwandelt.





Aue, S. (Frühjahr 2010). Vermehrung durch Teilen. Der Dialog als Praxis künstlerischen Forschens. Gegenworte. 23. Heft .

Ben-Ze'ev, A. (2013). Die Logik der Gefühle. Kritik der emotionalen Intelligenz. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag. Hochgerner, I. (2018). i mean... - to

act and occupy a surface. Startgalerie MUSA Wien.

Rost, W. (1999). Emotionen. Elixiere des Lebens. Berlin Heidelberg New York: Springer Verlag.

Schützeichel, R. (2012). Emotionen in Handlungen. Retrieved 11. 2 2018 from https://link.springer.com/10.1007/978-3-531-93443-3_11 Schmidt, S. J.

Geschichten und Diskurse. Ein integratives Konzept für Kommunikationswissenschaft. In Die neue Kommunikationswissenschaft (pp. 113-130). VS

Verlag für Sozialwissenschaften.

Sigg, B. (2009). Emotionen im Marketing. Neuroökonomische Erkenntnisse. Bern Stuttgart Wien: Haupt Verlag.